Eisig kalt ist der Wind, der von den ersten Hängen des Inselsbergs hinunter nach Bad Tabarz zieht. Vereinzelt weht auch schon die eine oder andere Schneeflocke darin mit. Er drängt die Menschen enger zusammen, die an diesem Freitag – einem 13., wie es das Schicksal so will – mitten in Bad Tabarz zusammengekommen sind. Dicht gedrängt stehen sie im Halbkreis um den großen Grabstein in der Dorfmitte, der heute mit zahlreichen roten Nelken und den Flaggen des „Vereins der verfolgten des Nazisregimes – Bund der Antifaschisten“ (VVN-BdA) bekränzt ist. Hier hat Dr. Theodor Neubauer seine letzte Ruhe gefunden. Ermordet in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges für seine Überzeugungen und seine Haltung gegen den Faschismus. Gestern wäre er 129 Jahre alt geworden und deswegen trifft sich heute die Gemeinde hier, um ihrem wichtigsten ehemaligen Einwohner die Andacht zu gewähren.
Theodor Neubauer war so vieles in seinem Leben. Wissenschaftler und Widerstandskämpfer, Politiker im Thüringer Landtag, später sogar im Reichstag, Mitglied in USPD und KPD, Zeitungsmacher und zuletzt tragisches Opfer der faschistischen Gewaltherrschaft. Ihm zu Ehren taufte man in der DDR die pädagogische Hochschule in Erfurt auf seinen Namen, nach der Wende nannte man sie einfach Universität Erfurt. Dass sie einst den Namen Theodor Neubauers trug, ist dieser Tage nur wenigen Menschen bekannt. Mir persönlich war es immer schon wichtig, dass wir an die Menschen erinnern, die oftmals alles aufgegeben haben, um dem Rassenwahn und der Eroberungswut der Nazis etwas entgegen zu stellen und genau deswegen bin ich der Einladung nach Bad Tabarz an diesem kalten Dezembertag sehr gerne gefolgt.
Schon 1933 war Theo Neubauer als Mitglied und Reichstagsabgeordneter der KPD verhaftet worden und wurde als Zeuge vor die Gerichtsverhandlung über den Reichstagsbrand gehört. Seine aufrechte Haltung damals zogen Haft und Folter nach sich. Er überlebte das Gefängnis und sogar die Hölle von Buchenwald. 1939 wurde er entlassen und zog nach Bad Tabarz. Doch seinen Überzeugungen konnte er nicht entsagen. 1942 wurde er erneut verhaftet, weil er etwas über 1000 Flugblätter gegen Krieg und Faschismus in Umlauf gebracht hatte. Was heute in Zeiten globaler medialer Verbreitung nach wenig klingt, war in den 40er Jahren lebensgefährlich. Wegen „Hochverrat und Feindbegünstigung“ wurde er im Zuchthaus Brandenburg-Görden schließlich am 5. Februar 1945 enthauptet.
Dabei hatte sein Leben anders begonnen. 31 Jahre zuvor war er noch kaisertreu und nationalistisch begeistert in den ersten Weltkrieg gezogen und hatte den Schrecken des Völkerschlachtens erfahren. Er erkannte seinen Irrtum, wandte diesem Pfad den Rücken zu, wurde SPD-Mitglied und ging schließlich mit der USPD in die KPD. Ein Leben voller Wendungen, vor dem ich großen Respekt habe. Es gehört viel dazu sich zu wandeln und mit den alten Gewissheiten zu brechen. Es müssen Überzeugungen sein, die unser Leben bestimmen und es ist meine tiefsitzende Überzeugung, dass das menschliche Leben das höchste aller Güter ist. Deswegen darf man nicht schweigen, wenn Menschen Unrecht getan wird und deswegen müssen wir an Menschen wie Theo Neubauer stets erinnern, die den höchsten Preis für ihre Überzeugungen gezahlt haben. Sie müssen uns Vorbild sein, damit sich die Verbrechen nicht wiederholen können.