Sobald Mensch ein bestimmtes Alter erreicht, beginnt er oft, sich in nostalgischen Gedanken zu verlieren. Selbiges gilt umso mehr, wenn er Altersgrenzen durchschreitet, die mit einer besonderen symbolischen Bedeutung aufgeladen sind. Solch eine Schwelle habe ich am 16.02. dieses Jahres mit meinem 65. Geburtstag genommen. Für meine Generation der in Westdeutschland sozialisierten Nachkriegsjugend war dieses Lebensalter eng verknüpft mit der Gewissheit, nach einem arbeitsreichen Leben endlich ins wohlverdiente Rentenalter ohne (auch finanzielle) Sorgen und mit viel Freizeit überwechseln zu können. Das war freilich auch schon anno 1956 eine Schimäre, aber Symbole gewinnen ihre Kraft natürlich nicht aus dem real Vorhandenen oder der Macht des Faktischen, sondern aus ihrer Anknüpfungskraft an menschliche Wünsche und Werthorizonte. Wenn ich heute allerdings mein Leben zumindest in groben Strichen entlang meiner Geburtstage einmal Revue passieren lassen möchte, dann sicher nicht, weil ich mich in Nostalgie oder Sehnsucht an lange Vergangenes flüchten möchte. Dafür sind die Zeiten zu ernst und COVID19 lässt uns allen – zumal denjenigen, die Verantwortung in Politik und Gesellschaft tragen – keine Zeit, um Tagträumen nachzuhängen. Viel eher scheint mir eine kurze Rückschau dann sinnvoll, wenn sie hilft sich selbst zu vergewissern, warum man heute steht, wo man steht und wie die eigene biographische Vergangenheit möglicherweise auch gegenwärtiges Entscheiden beeinflusst.