Tagebuch

Dass die von mir geführte Landesregierung keine eigene Mehrheit im Parlament hat ist hinlänglich bekannt. Die wenigen Minderheitsregierungen, die es bis dahin gab, waren immer Übergangsmodelle, aber nie wurde der Versuch gewagt, eine Minderheitsregierung über eine längere Zeit als vitales Konstrukt mit Gestaltungsauftrag zu etablieren. Die Umstände nach der Kurzzeitwahl von Herrn Kemmerich, die zu einer solchen Landesregierung geführt haben, sind ebenfalls hinlänglich bekannt. Darum gedrängt habe ich mich wahrlich nicht, aber davor gedrückt …
weiterlesen "Verantwortung in komplizierten Zeiten"
Im Jahr 2024 wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Und auch wenn bis dahin noch 12 Monate ins Land gehen werden, konnte man in den vergangenen Tagen bereits einen Vorgeschmack darauf bekommen, welch schmutziger Wahlkampf uns alle erwarten dürfte. Hauptprotagonist war – man muss leider sagen: wieder einmal – Hans-Georg Maaßen, seines Zeichens CDU-Mitglied, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz a.D. sowie seinerzeit erfolgloser Direktkandidat für die Südthüringer CDU im Bundestagswahlkreis 196. Am 13. August, dem 62. Jahrestags des…
weiterlesen "2024 wirft seine Schatten voraus"
Es gehört zu den guten und wichtigen Traditionen eines jeden Jahres – meine Sommertour, die mich quer durch Thüringen und zu vielen Menschen führt, die Tag für Tag mit ihrem Engagement unseren Freistaat noch ein klein wenig schöner machen, als er es sowieso schon ist.   In diesem Jahr hatten mein Team und ich uns vorgenommen, einen der wichtigsten Ankerpunkte für Zusammenhalt, Gemeinsinn und Solidarität in den Mittelpunkt unserer Tour zu stellen – unsere vielfältige Vereinslandschaft. In Stadt und Land, für Groß und Klein, aber auch für jedes …
weiterlesen "Z wie Zusammenhalt"
Am Donnerstagmorgen hörte ich den Satz „Die Zukunft ist offen, im Guten wie im Schlechten“. Er bezog sich auf eine Stelle in der Bibel, in der berichtet wird, dass die Jünger fischen gegangen sind, um ein Mahl zu bereiten, aber die ganze Nacht über nichts fingen. Erst am Morgen erschien am Ufer Jesus Christus. Sie erkannten ihn nicht, der ihnen aber zuruft, sie mögen jetzt, obwohl sie auf dem Rückweg waren und eigentlich die Hoffnung schon aufgegeben hatten, doch das Netz noch einmal ins Wasser werfen. Mit großem Erstaunen hätten sie das Netz auf einmal so …
weiterlesen "Demokratie im Stresstest"
In meinen letzten beiden Tagebucheinträgen habe ich versucht, das Ergebnis der Landratswahl in Sonneberg vor unterschiedlichen Hintergründen einzuordnen. Einerseits legte ich den Schwerpunkt auf die lokalen Verwerfungen und Erosionsprozesse, die exemplarisch (und freilich nicht allein) am Beispiel der Südthüringer CDU dargestellt wurden, andererseits beleuchtete ich die Frage, wie auch im dritten Jahrzehnt der Einheit bundespolitisch relevante Themen noch immer aus einer spezifisch westdeutschen Perspektive be- und abgehandelt werden ohne dabei die besonderen …
weiterlesen "Sonneberg und „der Osten“"
Nach der Landratswahl von Sonneberg, bei der erstmals ein AfD-Kandidat obsiegen konnte, haben sich diverse Medien, aber auch Politiker, an Erklärungen für den Wahlausgang versucht. Insbesondere die These, das Handeln der Ampelregierung in Berlin habe maßgeblich zu dem AfD-Erfolg beigetragen, wird dabei – vor allem von der CDU in Land und Bund – immer wieder als monokausale Erklärung angeführt, ja, regelrecht mantraartig vorgetragen. Nun liegt es mir fern, für jede Entscheidung oder Diskussion der Bundesregierung Verständnis …
weiterlesen "Sonneberg – Einordnungen und Erklärungsversuche"
Mein Angebot, einmal über das Wahlergebnis in Sonneberg unter dem Aspekt der fortgesetzten Verletzungen des Nicht-Wahrnehmen-Wollens gesellschaftlicher Entwicklung im Osten Deutschlands nachzudenken: Am Beispiel von Schwester Agnes versuche ich immer, einige der grundsätzlicheren Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland darzustellen. Ostdeutsche Menschen kennen die Kultfigur von Agnes Krause, die mit ihrer „Schwalbe“ als legendäre Gemeindekrankenschwester ganze Generationen geprägt hat. Westdeutsche können sich weder unter der…
weiterlesen "Wie Schwester Agnes bayrisch wurde"
Am Abend des 11. Juni beginnt eine Geschichte, wie sie offenbar nur Twitter schreiben kann. Im Landkreis Sonneberg finden gerade Landratswahlen statt und am Ende der Auszählung wird deutlich, dass der AfD-Kandidat beinahe im ersten Wahlgang die notwendige Mehrheit erreicht hat. Obwohl der Landkreis Sonneberg einer der industriestärksten Landkreise des Freistaates Thüringen ist und bereits seit vielen Jahren die niedrigste Arbeitslosigkeit aufweist, ist es doch ein bemerkenswertes Phänomen, dass ein AfD-Kandidat, der ausschließlich weltpolitische …
weiterlesen "Ein Tweet und seine Folgen"
In den letzten Tagen hörte ich einen ausführlichen Radiobericht über das Thema „Künstliche Intelligenz“ bzw. „ChatGPT“ und die Frage, was diese technischen Entwicklungen in Bezug auf tradierte rechtliche Grundlagen unserer Gesellschaft bedeuteten. Konkret gesagt: was heißt es, wenn computergeneriert Texte entstehen, die auf unendlichen Mengen von Quelltexten basieren, ohne dass man überhaupt noch erkennt, aus welchem Kontext welcher Teil des Textes gekommen ist. Hatte man früher die Not, Plagiate zu entdecken, hat die Technik geholfen, Doktorarbeiten …
weiterlesen "KI und das Urheberrecht"
Als Kind habe ich von meiner Großmutter oft den Satz gehört: „Das tut man nicht“. Ich bekam ihn meistens dann zu hören, wenn es um gute Umgangsformen und ein respektvolles Miteinander ging. Eine andere ihrer Weisen lautete: „Was du willst, was man dir nicht tu, das füge auch keinem anderen zu“. Ich erinnere mich außerdem an eine Aufschrift gegenüber von unserem Wohnhaus am Giebel des Nachbarhauses: „Allen Menschen Recht getan ist eine Kunst, die niemand kann“. All diese Lebensweisheiten haben mich mein ganzes Leben lang begleitet. Nicht …
weiterlesen "Mediale Phänomene der digitalen Zeit"