Fürs Protokoll: Es geht um Humanität

Als Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten haben wir gestern in Berlin zusammen gesessen. Lange zusammen gesessen. Erst nur mit Herrn Altmaier und Herrn Schäuble, dann wieder nur unter uns und ab dem Nachmittag mit der gesamten Bundesregierung. Herausgekommen ist ein Beschlusstext, aber noch nicht das Gesetz, dem dann im Bundesrat erst zugestimmt werden kann. Der Text beschreibt viele Kompromisse und er enthält – so habe ich es auch gegenüber den Medien formuliert – Licht und Schatten. Es gibt eine ganze Reihe Schritte in die richtige Richtung, was ich ausdrücklich begrüße. Wir sind bei der Einführung einer Krankenversicherungskarte für Flüchtlinge  endlich vorwärts gekommen genauso wie in der Frage geregelter Arbeitsmigration für Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien und Albanien. Und auch hinsichtlich der Finanzen ist es zumindest begrüßenswert, dass die Bundesgelder sich zukünftig an der tatsächlichen Zahl der Hilfesuchenden orientieren sollen und nicht mehr von vornherein gedeckelt werden. Dennoch werden die Finanzierungszusagen dem tatsächlichen Bedarf nicht vollständig gerecht – weshalb Thüringen genau diese Aussage als ersten Punkt in eine Protokollerklärung zum Beschluss formuliert hat. Unter diesen Bedingungen einen Thüringer Haushalt aufzustellen, bleibt trotzdem eine Herausforderung. Da sollte man einfach nichts beschönigen.
 
In unserer Protokollnotiz finden sich weitere Punkte, von denen ich zumindest einen noch mal herausgreifen will: Die Ablehnung einer pauschalen Einstufung von Albanien, Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsländer. Für viele Menschen sind diese Staaten eben nicht sicher. Die Menschenrechtslage dort ist kritisch, insbesondere für Minderheiten wie die Volksgruppe der Roma oder auch für Schwule und Lesben. Es gibt offene Diskriminierung, die wir ganz sicher nicht per Beschluss beenden werden. Der Beschluss fußt ja nicht auf einer veränderten Sicherheitslage in diesen Ländern, sondern soll – ohne Blick auf die Gefährdungslage – lediglich Menschen davor abschrecken, in Deutschland nach echter Sicherheit zu suchen. Außerdem ist im Kosovo unsere Bundeswehr stationiert, um das Land zu sichern. Entweder stimmt also das Mandat dafür nicht oder der Beschluss zur Deklaration als „sicheres Land“. Das ist leider wenig durchdachte Symbolpolitik. Mit den Flüchtlingen aus diesen Ländern könnten wir doch gemeinsam genau diese Länder sicher machen, statt einfach nur „gesichert“ abschieben zu können.

In den letzten Wochen habe ich mehrfach betont, dass die Thüringer Landesregierung vorbehaltlos jede Maßnahme prüfen wird, die dazu beitragen kann, die aktuelle Herausforderung zu bewältigen. Das galt und gilt für Vorschläge aus dem Landkreistag und dem Gemeinde- und Städtebund ebenso wie für Ideen der oppositionellen CDU. Es sollte aber auch klar sein, dass wir jetzt nicht anfangen werden über ideologische Stöckchen zu springen, die praktisch niemandem helfen. Nachdem beispielsweise Mazedonien im letzten November zu einem sicheren Herkunftsland erklärt wurde, ist die Zahl der Asylbewerber von dort deutlich gestiegen. Auf der anderen Seite wurde die Bearbeitungszeit der Asylanträge aus dem Land nicht signifikant kürzer. Der gewünschte Effekt ist also nicht eingetreten. Stattdessen war es ein rein symbolischer Akt. Und zwar ein falscher. Damit wird den diskriminierten Minderheiten signalisiert, dass ihre Diskriminierung nicht mehr wahrgenommen wird. Ich habe aber den Anspruch an unsere Politik, dass wir verfolgte Minderheiten schützen und zwar vor allem in ihrer Heimat.
 
Mit dieser Protokollerklärung haben wir deutlich gemacht, dass wir uns nicht gegen den Beschluss stellen werden, auch wenn wir nicht alle seine Teile mittragen. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass in der momentanen Situation nur ein gemeinsames Handeln aller Demokraten zum Erfolg führen kann. Deswegen verschließen wir uns keiner praktischen Maßnahme, die von den Bundesländern gemeinsam getragen wird. Wenn an bestimmten Stellen die Gefahr droht, dass die Humanität auf der Strecke bleibt, werde ich aber darauf hinweisen.