„Ich habe eine Uniform …“

Die Aussage „Ich habe eine Uniform, ich brauche keinen Ausweis.“ war so ziemlich das skurrilste, was mir an diesem 1. Mai begegnete. Mit viel Spannung war der Tag erwartet wurden, nicht zuletzt, nachdem ein Vertreter der Polizeigewerkschaft äußerte, dass man sich auf Verletzte oder gar Tote einstellen müsse. Die Realität hat gezeigt, wie unangemessen diese Aussage war. Bevor ich etwas genauer über den Tag schreibe, will ich aber darauf hinweisen, dass es insgesamt eine gute Kommunikation mit der Polizei gab und die Strategie der Deeskalation weitgehend umgesetzt wurde.

Morgens um acht begannen die seltsamen Erfahrungen dieses Tages. Zunächst konnte mich der Landtagsdienstwagen nicht zum vereinbarten Treffpunkt bringen. Stattdessen musste ich mich mittels meines Abgeordnetenausweises durch drei Polizeiabsperrungen durchdiskutieren, wodurch ich eine dreiviertel Stunde zu spät zum Treffen mit anderen Abgeordneten des Land- und Bundestages kam. Wir standen dann in der Nähe des Bahnhofes auf öffentlichem Gelände, als das Ordnungsamt plötzlich meinte, wir sollten den Platz verlassen. Martina Renner versuchte sogleich eine Spontandemonstration anzumelden, aber außer viel Bürokratie brachte das nichts ein.

Zwischenzeitlich ging ich in den Bahnhof, um die Unterstützer aus Jena und Weimar zu begrüßen und traf dort den Jenaer Oberbürgermeister Schröter, der offensichtlich zwischen zwei Polizeiabsperrungen weder vor- noch zurückgelassen wurde. Sein Ziel war eigentlich ein Treffen mit dem Erfurter OB Bausewein auf dem Platz vor dem Bahnhof, aber das Gipfeltreffen scheiterte an einer undurchschaubaren polizeilichen Befehlskette.

Ich machte mich auf den Weg zurück zu meinen AbgeordnetenkollegInnen, die sich mittlerweile auf den Bahnhofsparkplatz und damit auf dem Gelände der Bahn befanden. Da ereignete sich dann das Kuriosum, dass wir von einer Bahnmitarbeiterin aufgefordert wurden, den Parkplatz zu verlassen. Sie wolle jetzt ihr Hausrecht durchsetzten und müsse zudem nicht mit Volksvertretern diskutieren. Auf meine Nachfrage, ob sie sich wenigstens ausweisen könnte, antworte sie den eingangs zitierten Satz, dass sie das nicht nötig habe, weil sie ja eine Uniform trägt. Leider konnten wir mit der Phantasieuniform der Kollegin nichts anfangen, gingen aber dann auf das Angebot ein, den Parkplatz zu verlassen, wenn sie ihr Hausrecht auch gegenüber den Nazis durchsetzt. Es blieb allerdings beim bloßen Versprechen der Bahn, denn wenige Minuten später konnten sich die Nazis ungestört auf dem Gelände aufhalten. Dieses Verhalten ist ein Skandal, denn hier wurden die Rechtsextremen privilegiert, während gewählte Abgeordnete an ihrem Recht auf Protest behindert wurden.

Eine ziemlich knifflige Problemlage gab es auch gegen halb zwölf, als die Antifa-Demo auf ihr Kundgebungsgelände wollte, die Polizei aber offensichtlich keine Kenntnis davon hatte, dass dies eine bereits genehmigte Aktion war. So stand dann der Demozug eine halbe Stunde eingekesselt auf der Straße, während kein abgestimmtes Vorgehen der Beamten erkennbar war. Schließlich wurde wenigstens gestattet, dass die Demonstration umdrehen darf, um wieder zurückzulaufen.

Ähnlich schwierig war es kurz nach halb fünf am Bahnhof. Die Polizei hatte die meisten Nazis zu ihren Zügen begleitet aber eine Gruppe von ca. 25 Leuten, die wahrscheinlich aus Erfurt stammte, wurde allein gelassen und traf auf die Demonstranten aus Jena. Mir war unbegreiflich, wie das passieren konnte. Für zwanzig Minuten gab es scheinbar ungeklärte Befehlsstrukturen bei den Beamten und die Demo wurde einfach eingekesselt, obwohl die Lage eigentlich schon geklärt war. Diese kleineren Kommunikationsprobleme, sind das eigentlich Ärgerliche, was nach diesem Tag eben auch im Gedächtnis bleibt.

Wichtigstes Fazit des Tages ist, dass die Nazis anstatt mehrerer Kilometer nur wenige hundert Meter durch Erfurt laufen konnten. Die Tatsache, wie schnell sie am Ende weg waren, obwohl sie doch noch zu einer Sitzblockade aufgerufen wurden, zeigt die Wirkung der Gegenaktionen: Dem braunen Ungeist wurde gezeigt, dass in Erfurt kein Platz für ihn ist. Die Landtagsparteien, die Gewerkschaften, Antifa-Bündnisse – alle gemeinsam haben klar gemacht, dass Nazis hier nicht erwünscht sind. Nicht am 1. Mai und auch an keinem anderen Tag.

Bilder vom erlebnisreichen Tag gibt es in der Bildergalerie.